„Es gibt einiges nachzuholen!“

April 30, 2020

11 Lehrlinge, 11 Meinungen: Wir wollten wissen, wie Vorarlbergs Auszubildende aus verschiedensten Branchen die derzeitige Situation erleben.

Ob Handwerk, Handel, Gastronomie oder Industrie, die derzeitigen Covid19-Maßnahmen beeinflussen auch den Alltag von Lehrlingen. Beruflich wie privat sind große Herausforderungen zu bewältigen. Ob das nun die teils stundenlange Mundschutzpflicht, der große Kundenandrang nach Lockerung der Maßnahmen oder die wochenlange gesellschaftliche Isolation sind. Um das genauer zu erfahren, hat sich Lehre in Vorarlberg direkt an die jungen Leute gewandt. Wir wollten von den Lehrlingen wissen, was sich seit Beginn der Maßnahmen sowohl bei der Arbeit, also auch im privaten Umfeld bei ihnen geändert hat. Selbstverständlich stellten wir ihnen auch die Frage, worauf sie sich denn am meisten freuen, wenn sich die Lage wieder „normalisiert“.

 

„Mit Schutzmasken und Handschuhen in der Küche“

Amiri (22, Dornbirn) und Marcel (18, Dornbirn) machen beide ihre Lehre im Gasthaus Dreiländerblick in Dornbirn. Der Betrieb von Familie Bröll gehörte zu den ersten Gastronomen, die das Beste aus der Lage machten. Anstatt Lockdown gab’s Liefer- und später auch Abholservice von Käsköpfle, Schnitzel und vielen anderen Gerichten. „Dadurch hatten wir keinen direkten Kundenkontakt“ erzählt Amiri, Kochlehrling im 3. Lehrjahr. „Unsere Aufgaben in der Küche mussten wir mit Schutzmasken und Handschuhen erledigen.“ Für Marcel hat sich Anfangs nicht viel geändert. „Als die Schulen geschlossen wurden war ich wirklich sauer, da ich mich zuletzt gut mit den Lehrern verstanden habe und auch die Noten wieder besser wurden. ,Homeoffice‘ war herausfordernd: Man ist alleine zuhause und hat keinen direkten Ansprechpartner bei Fragen.“ Für den Gastronomiefachmann im 1. Lehrjahr war der einzig positive Aspekt der Ausgangssperre, dass man viel zu Hause ist und sich auf Dinge konzentrieren kann, die man im „normalen“ Alltag oft vergisst. Etwa sich selbst und die vergangenen Jahre zu reflektieren.

Kochlehrling Amiri (22)

Gastronomiefachmann Marcel (18)

Was sich privat geändert hat? „Ich gehe zwar nach draußen, um Sport zu machen, aber mir ist oft sehr langweilig und ich hoffe, dass sich alles bald wieder normalisiert“, so Amiri. Marcel beobachtet, wie unterschiedlich die Leute mit dem Thema umgehen: „Die einen machen Witze und nehmen es mit Humor. Andere sind fast paranoid und haben Angst. Meine Freundin gerät z.B. oft mit ihren Eltern aneinander, da es doch eine ungewohnte Situation ist, wenn alle den ganzen Tag daheim sind. Ich freue mich jedenfalls auf einen geregelten Alltag und dass ich meine Ausbildung wieder vom Betrieb aus machen kann.“ Vielleicht gibt es auch bald eine neue Kollegin für Marcel und Amiri. Das Gasthaus Dreiländerblick sucht für den Sommer noch einen Lehrling für den Service.

 

„Ich betreibe endlich mal Sport“

Auch für Daniel (17, Frastanz) hat sich vor ein paar Wochen vieles geändert. Er absolviert derzeit eine Lehre als Bankkaufmann bei der Raiffeisenlandesbank in Bregenz (2. Lehrjahr). „Es ging Schlag auf Schlag, jeden Tag setze eine neue Regelung ein. Ich bin aber trotzdem erleichtert, dass ich trotz allem noch einige Aufgaben erledigen kann. Für eine kurze Zeit war ich im Homeoffice, nun bin ich wieder im Büro und sehr froh darüber.“

Bankkaufmann Daniel (17)

Umso schwerer fällt es ihm im privaten Umfeld. „Die Möglichkeit, die Freizeit zu genießen, sind sehr begrenzt. Meine Freundin nicht sehen zu können, ist für mich eines der größten Opfer. Aber das geht bestimmt vielen so. Einen Vorteil hat das Ganze: Ich betreibe endlich mal Sport.“ Daniel kann es jedenfalls auch kaum erwarten, wieder zum Friseur zu gehen. „Aber natürlich auch darauf, wieder Zeit in meinem Freundeskreis zu verbringen und irgendwann mal auf Festivals zu gehen. Es gibt einiges nachzuholen!“

 

„Die sozialen Kontakte fehlen“

Bürokauffrau Sandra (19, Nenzing) sowie die beiden Einzelhandelskauffrauen Hilal (18, Bregenz) und Selina (17, Dornbirn) sind Lehrlinge beim Bau- und Gartenmarkt BayWa in Lauterach. „Seitdem unser Lehrbetrieb nach der Covid-19-Pause wieder eröffnet hat, kaufen unsere Kunden die Regale leer. Durch den hohen Kundenandrang sind wir Mitarbeiter derzeit mit Hochleistung damit beschäftigt, die Regale zu befüllen und neue Ware zu bestellen.“ Anders sieht es Zuhause aus: „Durch die aktuelle Situation hat man nun mehr Zeit für die Familie. Kochen, Spielabende und viel mehr Gespräche als üblich. Nachdem aber wir aber unsere Bekannten und Freunde nicht treffen durften, freuen wir uns sehr darauf, bald wieder die sozialen Kontakte pflegen zu können.“

BayWa-Lehrlinge Selina, Hilal und Sandra.

 

„Wochenenden mühsam und teils sehr langweilig“

Tobias wird derzeit als Zimmerer bei der Zimmerei und Tischlerei Kaufmann in Reuthe ausgebildet. „Der Kundenkontakt wird bei uns bestmöglich vermieden. Unsere Aufgaben haben sich ein wenig geändert, aber immer wird darauf geachtet, dass möglichst viel Abstand eingehalten wird.“ Was den Unterricht betrifft muss der Stoff, der sonst in der Berufsschule erarbeitet wird, in dieser Zeit im Betrieb selbst erarbeitet werden. „Das ist einerseits förderlich, aber andererseits auch schwierig, da man nur begrenzt Fragen stellen kann.“ Privat hat sich natürlich einiges geändert: „Da man sich nicht mit Freunden oder Verwandten treffen kann, erstrecken sich die Wochenenden derzeit mühsam und sind teils sehr langweilig. Ich freue mich jedenfalls wieder sehr auf meine Freunde“, so der 18-jährige Bizauer.

Zimmerer-Lehrling Tobias (18)

 

„Online-Berufsschule und viel Zeit mit der Familie“

Aleyna (20, aus Dafins) und Havva (17, aus Hard) sind beide im 3. Lehrjahr als Systemgastronomiefachfrau bei McDonalds. „Wir hatten Kurzarbeit und dürfen seit kurzem ja wieder arbeiten. Natürlich nur unter den Sicherheitsmaßnahmen, also mit Mundschutz und Mindestabstand“, erzählt Aleyna. Auch für Havva war die Situation sehr ungewohnt: „Nach drei Jahren fällt es mir schwer zu akzeptieren, dass wir unsere Gäste nicht im Restaurant, sondern nur am McDrive willkommen heißen dürfen. Jetzt gilt es, die Hygienevorschriften einzuhalten, damit sich alles hoffentlich bald normalisiert.“

Aleyna und Havva bei der McDonalds Jubiläumsfeier in Hard mit GF Loek Versluis.

Privat erleben sie die derzeitige Situation unterschiedlich. Während für Aleyna die Wochen sehr schnell vergingen („viel Zeit mit der Familie verbracht, wir hatten viel Spaß!“), war es für Havva deutlich mühsamer. „Ich vermisse meine Familie und Freunde. Es ist nicht einfach, auf so vieles verzichten zu müssen. Allerdings konnte ich die Zeit gut für meine bevorstehende Lehrabschlussprüfung nutzen.“ Worauf sich die beiden jungen Frauen freuen: „Endlich wieder ohne Mundschutzmasken arbeiten dürfen“, lacht Aleyna. „Und natürlich auf das Wiedersehen mit Freunden und Verwandten.“ Havva: „Ich freue mich darauf, dass man wieder an den Spielplätzen viele Kinder lachen sieht und wir unsere Familien wieder besuchen können.“

 

„Mittlerweile ans Homeoffice gewöhnt“

Flexibles Arbeiten ist auch bei der illwerke vkw AG angesagt. Franka (17) und Sonja (18), beide aus Bartholomäberg, sind zwei von über 100 Lehrlingen beim Energiedienstleister. Trotz unterschiedlicher Ausbildung arbeiten sie beide von Zuhause aus. „Die Aufgaben sind für mich gleich geblieben“, erklärt Bürokauffrau Franka. „Aber durch den Umstieg auf Homeoffice konnte ich auch ein paar Online-Kurse besuchen. Die Schule war hingegen eine sehr große Umstellung, denn wir mussten alle Aufgaben digital bearbeiten und haben auch digitalen Unterricht.“ Für Sonja steht das Lernen derzeit im Mittelpunkt. „Als Elektrotechnikerin und besonders als Lehrling ist Homeoffice nicht so einfach. Wir arbeiten über Online-Plattform, befassen uns größtenteils mit der Theorie und tauschen uns dabei mit den Lehrern, aber auch mit den Ausbildern aus. Jedenfalls habe ich mich mittlerweile daran gewöhnt, von zu Hause aus zu arbeiten.“

Bürokauffrau Franka (17)

In der Freizeit haben sich beide schnell der Situation angepasst. „Bei uns sind alle daheim und so können wir die Zeit für das Familiendasein sehr gut nutzen“, so Franka. Sonja ergänzt: „Bei uns zuhause sind wir zu zweit im Homeoffice, was in manchen Situationen doch eine Herausforderung ist.“ Jedenfalls freuen sich beide Lehrlinge auf normale Zeiten. „Keine Ausgangsbeschränkungen mehr und keine Mundschutzmasken mehr tragen“, freut sich Franka auf die Unabhängigkeit. Sonja kann es kaum erwarten, ihre Oma wieder zu besuchen. „Darauf, und wieder Sachen mit meinen Freunden unternehmen.“

Elektrotechnikerin Sonja (18)

 

Fotos: iMesse (Markus Gmeiner), handout (Unternehmen), pixabay.com